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Grußwort aus dem Gemeindebrief

Ein alter Witz geht so: Ein Gärtner zeigt einem Pfarrer seine sehr gepflegte Gartenanlage. Der Pfarrer ist beeindruckt von der Pracht und sagt: „Das hat der Herr aber schön wachsen lassen!“ Ein Stückchen weiter wiederholt der Pfarrer sein Lob für Gottes Werk. Nach dem dritten Mal ist der Gärtner sehr verärgert, weil seine Arbeit in keiner Weise gewürdigt wird. Daraufhin führt er den Pfarrer in die hinterste Ecke seines Gartens, wo alles wild durcheinander wächst. Der Pfarrer ist entsetzt und fragt: „Was ist denn hier los?“ Da sagt der Gärtner ganz entspannt: „Hier habe ich es wachsen lassen, wie der Herr es wollte!“

 

„Es kommt alles von Gott: Glück und Unglück, Leben und Tod, Armut und Reichtum. Wenn dir‘s gutgeht, so bedenke, dass dir’s wieder schlechtgehen kann. Und wenn dir‘s schlechtgeht, so bedenke, dass dir’s wieder gutgehen kann“, heißt es in einem biblischen Weisheitsbuch, bei Jesus Sirach (11,14.25).

 

Wenn wir nun bald wieder Erntedank feiern, dann können wir das auch als eine Art „Lebensbilanz“ auffassen: Was hat mir etwas eingebracht? Was habe ich mir selbst eingehandelt oder auch „eingebrockt“? Was habe ich vielleicht auch ganz „unverdient“ geschenkt bekommen?

 

Gerne feiern wir Erntedank mit Kindern, weil die so fasziniert sind vom Kreislauf des Werdens und Vergehens und Immer-wiederneu- Werdens in der Natur. Das muss man erst einmal begreifen, dass aus so einem Körnlein, das man in die Erde legt, wirklich eine Pflanze wird. Oder bevor man es begreift, sollte man erst einmal staunend davorstehen. Ja, und das ist dann schon der Anfang der Religion: das Staunen. Für die Kinder geht es bei dieser Beschäftigung mit den Vorgängen der Natur auch um Verlässlichkeit und Beständigkeit. In der Bibel steht dieses Versprechen am Ende der Sintflutgeschichte: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (Genesis 8,22) Ja, man muss sich darauf verlassen können, dass die Äpfel am Baum jedes Jahr neu nachwachsen – und nicht nur die Äpfel: Auch die Überraschungseier und die Wurst mit den Gesichtern drauf ...

 

Verlässlichkeit und Beständigkeit sind etwas, was wir Menschen auch in unseren Lebensentwürfen anstreben. Aber es gelingt nicht immer: Ehen und Familien zerbrechen, Arbeitsplätze gehen verloren. Und das bringt Not, gerade auch für die Kinder. Menschen wachsen nicht so einfach nach wie Äpfel und Birnen.

 

Und selbst wenn plötzlich neue, andere Menschen auftauchen am Horizont, wird das Leben dadurch nicht unbedingt einfacher. Es kann einfacher und schöner werden. Aber das wäre dann schon wieder ein außergewöhnlicher Grund zum Danken.

 

Der Weisheitslehrer Jesus Sirach hält an dem Glauben fest, dass alles von Gott kommt: Nicht nur das Glück, sondern auch das Unglück. Nicht nur der Reichtum, auch die Armut. Nicht nur das Leben, auch der Tod. Das ist eine gewagte These. Das ist ein Gottesbild, das nicht unbedingt mit dem Bild von einem immer nur lieben Gott in Einklang zu bringen ist. Doch einen großen Vorteil hat diese Sichtweise: Gott ist überall mit dabei, in jeder Situation unseres Lebens. Und dadurch erhält diese Situation einen Sinn und eine Perspektive. Es gibt immer einen Weg. Es geht weiter. Mitunter holprig zwar, aber eben doch auf ein Ziel gerichtet, das wir vielleicht nicht kennen, das aber Gott kennt.

 

So ist dieses Vertrauen, das wir mit unseren Kindern zu Erntedank einüben, sehr wertvoll, ein Vertrauen in eine geordnete und verlässliche Welt. Geordnet und verlässlich nicht deshalb, weil wir Menschen alles im Griff hätten. Es ist der Schöpfer, der diese Welt geschaffen hat, der die Hoffnung nicht aufgibt, der aber auch uns beauftragt, an der Erhaltung der Welt mitzuwirken, so gut wir das können. Gottvertrauen soll nicht den Einsatz unserer Kräfte lähmen, sondern im Gegenteil noch beflügeln.

 

Schön finde ich den Gedanken bei Jesus Sirach: „Wenn es dir schlechtgeht, so bedenke, dass es dir wieder gutgehen kann.“ Das ist wie so ein Weizenkorn, das verborgen liegt in einer Lebenssituation, und dann kann es plötzlich aufkeimen und sich entfalten. Dass wir solche positiven Erfahrungen in unserem Leben machen, das wünsche ich uns allen.

 

Frank Seickel


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