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Grußwort aus dem Gemeindebrief

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist doch zum Fürchten – die viel zu vielen Heimatlosen in den Flüchtlingslagern, wenn sie es überhaupt bis dorthin geschafft haben und ihnen nicht das Meer zum Grab wurde, Gewalt und Übergriffe, die Kinder erfahren und erdulden müssen, das Leid derer, die durch Naturkatastrophen alles verloren haben. Mach eine*r mag gar nicht mehr die Nachrichten einschalten, weil es so erschreckend zugeht in unserer Welt.

Und dann ist da noch die Pandemie… noch wissen wir nicht genau wie wir Weihnachten feiern können in diesem zweiten Corona-Winter. Die Unbeschwertheit, die uns der Sommer gebracht hat, hat die vierte Welle inzwischen wieder mit sich gespült.

Ein mulmiges Gefühl bleibt, wenn wir auch dieses Jahr wieder ins Ungewisse planen wie Weihnachten in unseren Kirchen und Familien erlebt werden kann.

Und mitten hinein in alle erschreckenden Realitäten und angstmachenden Zukunftsszenarien hören wir diese Worte, die an Weihnachten nicht fehlen dürfen:

Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren! Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!

Fürchtet euch nicht! Leichter gesagt als getan – aber was bedeutet dieses „fürchtet euch nicht“, wenn wir es nicht nur so verstehen wie die netten Texte auf den Leinentaschen oder das hübsche Mitgebsel, das uns aufmuntern soll.

Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren!Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!

Nein, harmlos ist diese Botschaft ganz und gar nicht.

Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte haben sich erschrocken, sehr sogar. Sie überwinden ihre Angst, indem sie sich auf den Weg machen und dieser Weg lohnt sich: sie werden die Ersten sein, die das Kind in der Krippe erleben können. Auch da eine angstmachende Umgebung: ein erbärmlicher Stall, kalt, unwirtlich – und mittendrin der Retter der Welt.

Ich glaube, auch uns geht es so wie den Hirten. Wir haben Angst und wir erschrecken angesichts dessen was der Alltag von uns fordert und die Nachrichten übermitteln. Diese Angst lässt sich weder klein- noch wegreden. Jede*r von uns hat einen Umgang mit seiner Angst. Es ist wichtig, dass diese Angst nicht ins Bodenlose geht, uns den Boden unter den Füßen wegzieht, wir brauchen etwas, das uns erdet. Das können unsere Mitmenschen sein, Gespräche, Körperübungen…

Die Hirten haben ihre Angst überwunden, indem sie nicht erstarrt sind, sondern sich auf den Weg gemacht haben, Schritt für Schritt, bodennah und mit der himmlischen Botschaft, die alles verändert:

Wir brauchen diese Zusage der Engel: Fürchtet euch nicht! Sie führt uns zu dem, der für uns Mensch geworden ist und uns ganz Mensch werden lässt.

 

Die Engel singen vom Frieden – auch dieses Jahr trotz allem Unfrieden – und gerade deswegen! Und sie meinen ernst, was sie singen. Denn alle, die ihren Gesang hören, die werden mit in diesen Frieden hineingenommen. Die können darauf verzichten, sich um jeden Preis durchzusetzen und auf jeden Fall Recht zu behalten. Der Weihnachtsfriede beginnt mit dem Gesang der Engel. Das Geheimnis betritt mit ihnen den Raum der Möglichkeiten: Gott hat seinen Frieden gemacht, als er selber im Stall zur Welt kam. Es ist an uns, im Lichte seines Friedens zu leben. Es ist an uns, den ersten Schritt zu machen gegen alle Angst, wider alle Widrigkeiten. Dann werden auch andere ihre Schritte wagen, die aufeinander zu führen. Von Mensch zu Mensch! Lassen wir es uns zusagen: Fürchtet euch nicht! Überlassen wir nicht der Angst das letzte Wort und auch nicht dem Unfrieden! Glauben wir nicht Parolen, Halbwahrheiten und Lügen, die aus einem Impfstatus moralische oder politische Schreckgespenster zeichnen, die Flüchtlinge kriminalisieren oder eben generell das Andere dämonisieren, sondern begegnen wir uns – von Mensch zu Mensch und erfahren voneinander, von unseren Ängsten und dem, was unseren Himmel weit macht! Machen wir uns so gemeinsam auf den Weg, festen Boden unter den Füßen und den Himmel weit offen über uns mit der Weihachtsbotschaft im Herz und den Ohren.

Eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und ein hoffnungsvolles und friedliches neues Jahr wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Bärbel Gnamm


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